Aus aktuellem Anlass komme ich mal wieder mit einem Thema um die Ecke, das mich persönlich sehr beschäftigt. Weil ich nicht immer helfen kann. Weil immer noch viele Pferdebesitzer keinen Wert auf einen passenden Sattel legen. Weil sie nicht wissen, was sie ihren Pferden und sich selbst damit antun. Dem möchte ich hier Abhilfe schaffen. Wer diesen Artikel liest, kann nicht mehr sagen, er habe es nicht gewusst.
Der Sattel und das liebe Geld..
Fangen wir gleich mit einem der Gründe an, der mir im Alltag immer wieder begegnet: der Inhalt deines Portemonnaies. Oder vielmehr der fehlende Inhalt. Neulich habe ich einen Satz wie diesen gehört: „Ich bin arm, das mache ich, wenn ich reich bin.“ Ja gut, wann wird das sein? Heute wohl nicht mehr. Nächstes Jahr? Niemals? Und was ist jetzt? Jetzt muss sich dein Pferd mit einem Sattel herumquälen, der nicht passt. Heute tut ihm das weh. Nicht erst, wenn du reich bist.
Das ist dem Pferd gegenüber nicht fair. Ein eigenes Haustier zu haben, heißt Verantwortung zu übernehmen. Du musst bestmöglich für dein Pferd sorgen. Damit hast du dich mit der Unterschrift auf dem Kaufvertrag verpflichtet. Schliesslich ist es ein Lebenwesen mit Gefühlen und einem Schmerzempfinden, das deinem eigenen sehr ähnelt. Es ist kein lebloser Gegenstand. Du verlangst etwas von deinem Pferd, also musst du es auch in die Lage bringen, dir deine Wünsche zu erfüllen.
Wenn du am Anfang in einen guten Sattel inverstierst, sparst du langfristig Geld. Du wirst keine Freude haben an einem Sattel, der nicht anpassbar ist. Du wirst ihn verkaufen müssen und wieder einen anderen Sattel kaufen. Das kannst du bis in die Unendlichkeit fortführen. Denn auch wie sich dein Körper mit der Zeit verändert, verändert sich auch der deines Pferdes. Schon alleine durch die Jahreszeit oder den Trainingszustand. Ein guter Sattel macht sowas mit. Ein schlechter Sattel sorgt dafür, dass der Pferderücken das mitmachen muss.
Gesundheit kann man mit Geld nicht kaufen
„Absatz tief, Fußspitzen nach innen und gerade sitzen!“ – Wer kennt den Spruch nicht noch von den ersten Reitstunden? Wir haben uns alle schwer getan damit. Nicht nur, weil wir Reitanfänger waren, sondern weil wir es schlicht nicht konnten. Sättel wurden traditionell von Männern für Männer gebaut. (Ja, es gab auch früher schon Damensättel, aber diese unterschieden sich im Aufbau enorm und erforderten einen seitlichen Sitz auf dem Pferd.)
Warum ist es ein Problem, als Frau in einem Männersattel zu sitzen? Nun, Frauen können Kinder bekommen, Männer nicht. Mann und Frau haben demnach auch verschieden geformte Hüften. Wer näher auf das Thema eingehen will, schaut am besten auf diese Seite von Saddlefit4Life. Auch die Tierärztin Dorothea Weber erklärt es hier genauer.
Will ein Reiter in Balance sitzen, so muss seine Wirbelsäule lotrecht über dem Pferd sein. Ständig gegen den Sattel ansitzen zu müssen, ist nicht nur anstrengend, sondern auch auf Dauer schädlich! Die Anatomie des Beckens und der Hüfte hat großen Einfluss auf die Fähigkeit, ausbalanciert im Sattel zu sitzen. Und das ist doch das oberste Ziel, das wir als Reiter haben; ein ausbalancierter Sitz, der mit den Bewegungen des Pferdes geht, in Harmonie.
Ein guter Sattel ist also immer eine Investition in die Gesundheit. In die deines Pferdes. Und in deine eigene. Ein Sattel, der dir anatomisch nicht passt, kann Kopfschmerzen, Verspannungen und starke Schäden an den Bandscheiben hervorrufen. Er kann sogar zu Rücken- und Hüftschmerzen bis hin zu Arthrose führen. Das passiert nicht immer sofort, sondern kommt erst mit den Jahren. So, dass du unter Umständen kaum noch nachvollziehen kannst, was die eigentliche Ursache war. Und dabei wäre sie so leicht abzustellen gewesen.
Wenn du die Art von Pferdebesitzer bist, der auch reiten möchte und dich nicht mit Bodenarbeit oder Kutschefahren zufrieden geben willst, solltest du zwingend das Geld für einen guten Sattel parat halten. Ganz gleich, ob du einen Sonderfall von Pferderücken im Stall hast, dem nur ein Vollmaßsattel passt, oder ein Sattel von der Stange ausreicht, vielleicht sogar gebraucht.
Wusstest du, dass die Haut eines Pferdes nur weniger als ein Millimeter dicker als die des Menschen ist? Die australische Forscherin Dr. Lydia Tong aus New South Wales fand bei ihren Untersuchungen heraus, dass die oberste Hautschicht, in der die schmerzempfindenden Nerven gefunden werden, sogar dünner als die menschliche Epidermis ist [3]. Das bedeutet, dass Pferde weniger Hautzellen haben, die zwischen der Schmerzquelle und den empfindlichen Nervenenden liegen. „Man könnte argumentieren, dass die Haut des Pferdes dünner ist, wenn es um Schmerzen geht“, sagte die Forscherin.
Pferde spüren eine Fliege schon, wenn sie noch im Landeanflug ist. Deswegen reagieren sie auch so fein auf dich und deine Hilfen. Kein Pferd ist von Natur aus stumpf, faul oder widerspenstig. Im Gegeneil. Pferde sind Herdentiere und arbeiten sehr gerne im Team. Das gilt für ihresgleichen, als auch für dich. Reagiert es nicht wie gewünscht, ist es vielleicht nur irritiert, weil du dich nicht klar ausdrückst. Oder es kann die Aufgabe nicht ausführen, weil es nicht die Möglichkeit hat. Weil es Angst hat oder Schmerzen.
„Mein Pferd hat keine Schmerzen..“ (durch den Sattel)
Bis in die 1980er Jahre wurde das Schmerzempfinden von Tieren gerne abgestritten. Inzwischen schenkt die Forschung diesem Thema glücklicherweise mehr Aufmerksamkeit [2]. Auch, wenn die Industrie uns etwas anderes weismachen will. Was den Tierschutz betrifft, ist Neuseeland uns weit voraus. Ein Gesetz gesteht Tieren seit 2015 rechtlich zu, als fühlende Wesen anerkannt zu werden [1]. Ich bin sicher, dass du selbst auch der Meinung bist, dass dein Pferd Schmerzen empfinden kann. Warum tust du ihm dann die Schmerzen an?
Nur, weil du denkst, dass dein Pferd keine Schmerzen hat, heißt es nicht, dass alles gut ist. Bist du denn sicher, dass dein Pferd kein Schmerzen hat? Wie bestimmt kannst du das sagen? Pferde zeigen ihre Schmerzen nicht, wie wir Menschen es tun. Wir sprechen es aus. Wir schreien. Wir hauen zurück. Wir weichen der Ursache aus, sogut wir können oder vermeiden sie ganz. Unsere Pferde können das oftmals nicht. Und Schuld daran sind wir! Weil wir es nicht zulassen. Wir tun es ab als Ungezogenheit. Als schlechte Laune. Ja klar, ein Pferd hat auch mal schlechte Laune. Aber ist es nicht auffällig, wenn es jedes Mal die Ohren anlegt, wenn du den Gurt anziehst? Dass es scharrt? Unruhig ist? Dass es sich jedes Mal wegdreht, wenn du mit dem Sattel neben ihm stehst? Oder jedes Mal zappelt, wenn du aufsteigen willst? Oder apathisch stillsteht? Oder oder oder…
Pferde lügen nicht. Sie können nicht so tun als ob sie sie glücklich oder entspannt sind, wenn dem nicht so ist. Schau doch mal genau hin! Beobachte! Schau dir die Augen an, die Ohren, die Nüstern und die Maulpartie, das Muskelspiel, die Ausstrahlung. Babette Teschen und Tania Konnerth haben das Thema Schmerzen hier auf „Wege zum Pferd“ auch nochmal gut erklärt. Stell doch mal eine Kamera hin, die dich und dein Pferd filmt. Schau dir das Video an. Und dann sag nochmal, dass dein Pferd völlig entspannt und zufrieden ist!
Eine Bekannte erzählte mir, dass sie ihren Sattel einer Freundin abgekauft hätte. Für wenig Geld, das freut einen ja immer. Sie hat das Kopfeisen mit einem beherzten Schlag mit dem Hammer geweitet und reitet nun in dem Sattel. Ich muss mir da jedes Mal auf die Lippen beißen, wenn ich den Sattel auf dem Pferd sehe. Viel zu gerade, zu lang, zu eng. Genauer habe ich noch nicht hingeguckt. Das Pferd läuft damit. Es läuft auch mit jedem anderen Sattel. Nun, das Pferd muss keine großen Lektionen mehr zeigen und Reiterspiele gewinnen, wie in seinen jungen Jahren oder auf lange Ausritte gehen. Es ist schon älter und gemütlicher unterwegs. Es macht alles mit. Ob das daran liegt, dass es ihm egal ist, dass es das auch will? Oder ob es ein gutes beispiel für erlernte Hilflosigkeit ist? Ich weiß es nicht. Fakt ist aber, der Sattel passt nicht! Und es ist offensichtlich, dass das Pferd (körperlichen) Schaden genommen hat.
Übrigens:
- Die Lebenserwartung eines Reitpferdes liegt bei 7 – 10 Jahren, wenn das Pferd von einem unerfahrenen Reiter geritten wird, der es nicht zu kardiovaskulärer Anstrengung und zum Maximalpuls trainiert
- Die Lebenserwartung eines Reitpferdes, das unter einem professionellen Reiter und mit professionellem Unterricht geritten wird und an Turnieren oder aktivem Training teilnimmt, beträgt 20 – 25 Jahre [4]
Ergänzend zum Thema
Zwischen den Rückenwirbeln des Pferdes treten empfindliche Nervenenden aus. Ist ein Sattel zu lang, liegt er auf bestimmten Reflexpunkten des Pferdes und verursacht dadurch viele Probleme. Drückt der Sattel beispielsweise hinter dem 18-ten Brustwirbel, bringt man das Pferd dazu, seinen Rücken wegzudrücken. Ergo nähern sich die Rückenwirbel des Pferdes einander an, das Resultat wären im schlimmsten Fall Kissing Spines. Das genaue Gegenteil sollte das erklärte Ziel sein; ein aufgewölbter Rücken, untertetende Hinterbeine, ein korrekt gymnastiziertes und geschmeidiges Pferd.
Auch ein zu enger Kissenkanal oder u.a. ein verdrehter Sattel übt Druck auf diese Nervenendungen aus.
Wenn du mehr zum Thema Pferd, Reiter und Sattel wissen willst, kann ich dir diese Bücher und Blogbeiträge sehr ans Herz legen:
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