Dies ist mein zweiter Beitrag zum Thema Tod und Trauer. Kurz vor Weihnachten 2015 ist mein bester Freund gestorben, mein Herzenspferd (und ja, das meine ich auch so. Für mich ist das kein abgelatschter Begriff, sondern Tatsache.) Funi. Es ist in der Tat schon etwas her und die Zeit scheint schneller zu vergehen seitdem. Wenngleich sie auch manchmal stillsteht und in ihre Bruchteile zerfällt. Das gibt mir Zeit, um über den Tod nachzudenken. Den Tod und die Zeit.
Damals war’s….
Es ist noch nicht allzu lange her, als man mit dem Tod anders umging als in unserer heutigen modernen Welt. Es gab das berühmte Trauerjahr, das heute nicht mehr üblich zu sein scheint. Nach dem Verlust eines geliebten Menschen und nahen Angehörigen verhängte man die Spiegel und trug ein ganzes Jahr lang schwarze Kleidung. Dies ist nur die wohl bekannteste aller Regeln, die in diesem Jahr einzuhalten waren. Äußerlich war jede Witwe klar zu erkennen und wurde entsprechend ihrer Trauer behandelt und aufgefangen. Wer heutzutage noch über einen längeren Zeitraum hinweg schwarze Kleidung aufgrund eines Verlustes trägt, wird wohl eher schräg angesehen. Er übertreibt schliesslich. Insbesondere, wenn es sich „nur“ um ein Haustier handelt, welches nicht mehr lebt. Die Regeln und Bräuche geraten zusehends in Vergessenheit und machen es den Menschen damit ungleich schwerer, mit dem Tod umzugehen. Wer seelisches Chaos und völlige Verzweiflung spürt, bleibt damit allein, denn nach außen hin zeigen darf er es eher nicht. Das Thema wird regelrecht totgeschwiegen.
Dabei ist Trauer ganz normal, auch, wenn die düstere Zeit jahrelang andauert und vielleicht nie ganz vergeht. Es braucht eine Weile, mit dem klarzukommen, was nun ist. Die Trauer endet nicht mit dem Beschriften des Grabsteines und der Bestattung. Oder prompt mit dem ersten Todestag. Es gibt keine magische, unsichtbare Wanduhr die tickt und dich zwingt, mit dem Tod deines Liebsten fertig zu werden. Niemand sagt dir, dass du die Trauerphase nächste Woche, nächsten Monat oder innerhalb des ersten Jahres beenden musst. Komme, was da wolle. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Der Schmerz, den du fühlst, wenn du jemanden vermisst, wird niemals verschwinden, aber das ist okay.
“The reality is that you will grieve forever. You will not ‘get over’ the loss of a loved one; you will learn to live with it. You will heal and you will rebuild yourself around the loss you have suffered. You will be whole again but you will never be the same. Nor should you be the same nor would you want to.”
― Elisabeth Kübler-Ross
Du musst ja auch gar nicht wieder werden, wer du vorher warst. Einer meiner liebsten Autoren Rainer Maria Rilke hatte das gut formuliert. Er schrieb, dass viel von uns selber genommen wird, womit wir eng verbunden sind. Zugleich will Gott, dass wir uns wiederfinden, reicher um alles Verlorene und vermehrt um jenen unendlichen Schmerz. Anders gesagt: Der tiefe Verlust stärkt dich und deinen Charakter und deine Erfahrung macht dich noch einzigartiger in der Welt. Weil du dadurch widerstandsfähiger bist als je zuvor in deinem Leben und in der Lage, Dinge zu tun, zu denen du vorher nie fähig warst. Das wirst du eines Tages spüren.
Vergiss nicht, dass die Entscheidung, den Heilungsprozess anzugehen und irgendwann abzuschliessen, komplett dir überlassen ist. Wenn du bereit dafür bist, mache deinen Frieden mit dir und allem, was war. Es ist eine Chance.
Jeder Mensch trauert anders
Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen und mir geht es gut. Ich habe wieder ein wunderbares neues Pferd, seit fast fünf Jahren. Das macht es möglicherweise erträglicher. Wühlt zugleich aber auch wieder auf, manchmal. Es ist, als ob ich gezwungen bin, einen Weg zu verlassen, den ich mit Funi gehen wollte. Von dem ich auch ohne ihn nicht abbiegen wollte. Die Straße war schon brüchig und zugewachsen, aber ich wollte oder konnte lange nicht davon loskommen.
Auf dem Bild bin ich mit Funi im August 2000. Der Kaufvertrag war am Tag zuvor unterschrieben.
Ich schaue mir diese alten Fotos sehr gerne an. Ich freue mich über unsere gemeinsamen 15 Jahre und bin sehr dankbar dafür.
“Whoever said that loss gets easier with time was a liar. Here’s what really happens: The spaces between the times you miss them grow longer. Then, when you do remember to miss them again, it’s still with a stabbing pain to the heart. And you have guilt. Guilt because it’s been too long since you missed them last.”
― Kristin O’Donnell Tubb, The 13th Sign
Die Trauerzeit ist eine ganz individuelle Lebensphase und Erfahrung und hat keine festen Abläufe oder gar einen verbindlichen Zeitrahmen. Manche Menschen trauern wenig auffallend, man könnte meinen, sie trauerten gar nicht und seien gefühlskalt. Sie machen Witze, können lachen wie bisher und leben ihr Leben weiter, als wäre nichts gewesen. Andere wiederum kommen gar nicht mehr aus dem Loch, dass man sich beinahe genötigt fühlt, zu sagen nun ist aber mal gut. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Alles hat seine Zeit.
Man soll die Feste feiern, wie sie fallen
Schlimmer wird es dann wieder an Festen wie Weihnachten, dem Jahreswechsel, an Geburtstagen oder Todestagen. Oder am Jahrestag, an dem man sein Tier gekauft, bzw. zu sich geholt hat. Diese Tage sind meist nocheinmal mit viel Traurigkeit und Schmerz verbunden.
Auch das ist okay. Das verstorbene Haustier hat nach wie vor einen Platz in unserem Herzen, den es auch immer behalten wird. Obwohl es nicht mehr bei uns ist, dürfen wir wir fröhlich und guter Dinge sein, so wie wir es mit ihm zu Lebzeiten oft waren. Die Wärme und die Liebe, die wir in uns tragen, wird nicht weniger oder weniger wertvoll, wenn wir künftig mit anderen Tieren lachen und sie lieben. Im Gegenteil, wie Rilke sagt: wir werden reicher.
Wenn sich eines Tages die Verzweiflung und die Leere in eine tiefe Dankbarkeit verwandeln, weil wir ein anderes Tier kennenlernen dürfen und den (gleichen) Weg fortan mit ihm bestreiten, kann der Weg in das Leben langsam wieder gegangen werden.
“People in the real world always say, when something terrible happens, that the sadness and loss and aching pain of the heart will “lessen as time passes,” but it isn’t true. Sorrow and loss are constant, but if we all had to go through our whole lives carrying them the whole time, we wouldn’t be able to stand it. The sadness would paralyze us. So in the end we just pack it into bags and find somewhere to leave it.”
― Fredrik Backman, My Grandmother Asked Me to Tell You She’s Sorry
Ein Weg, besser mit einer besonders schwierigen Situation klarzukommen ist, immer wieder darüber zu sprechen. Das Sprechen hilft nach und nach bei der Bewältigung und ist ein echtes Geschenk, wenn dir jemand zuhört und du jemand anderem zuhören kannst. Wenn du das Gefühl hast, nicht alleine zu sein.
Du siehst, Traurigsein dauert ganz unterschiedlich lange. Du darfst dir Zeit nehmen, so viel du brauchst. Irgendwann holt dich das Leben wieder ein und nimmt dich an seine Hand. Und du wirst sehen, wie wertvoll es ist. Dann geht ihr wieder zusammen weiter. 🙂
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